VON MICHAEL HEISE
NAUMBURG - Nein, eine Diskussion darüber, ob eine Ortsumgehung für Naumburg und Bad Kösen sinnvoll ist oder nicht, sollte es nicht werden. Ausklammern ließ sie sich nicht. Vorrangig aber stand die Frage, wie die Verkehrsbelastung für beide Orte durch vergleichsweise wenig kostenintensive Maßnahmen reduziert werden kann.
Einer Veranstaltung in Naumburg, zu der die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt eingeladen hatte und an der neben dem Verein "Rettet das Saaletal" Kommunalpolitiker und viele interessierte Einwohner teilnahmen, lag dabei ein von ihr beauftragtes Konzept des Dresdner Planungsbüros Hunger zugrunde. Kernaussage: Eine Ortsumgehung Naumburg-Bad Kösen bringt mit einer Reduzierung von 1 500 Fahrzeugen pro Tag nicht den erhofften Entlastungseffekt, bedingt durch einen überwiegend hohen Anteil innerörtlichen Verkehrs. Ziel muss es sein, diesen erträglicher zu gestalten.
30er-Geschwindigkeit bald usus
Das Planungsbüro setzt dabei vor allem auf eine Entschleunigung durch Tempo-30-Bereiche, einhergehend mit einer Reduzierung von Straßenquerschnitten samt einer Gestaltung, die Autofahrer animiert, langsamer zu fahren. Die Effekte: Weniger Lärm und Schadstoffe, höhere Sicherheit und Lebensqualität sowie Wertsteigerung der Immobilien.
"Die Überlegungen in Deutschland gehen längst dahin, innerorts prinzipiell eine Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde festzuschreiben. Und da, wo schneller gefahren werden kann, das durch Schilder auszuweisen", sagt Planungsbüro-Chef Ditmar Hunger. Ins Detail ging sein Mitarbeiter Tobias Schönfeld. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf Tempo 30 entspräche einer Lärmminderung um zwei bis drei Dezibel, was wiederum einer gefühlt 50-prozentigen Verkehrsabnahme entspräche. Hingegen hielten sich die Zeitverluste für die Autofahrer in Grenzen. Als potenzielle 30er-Bereiche nannte Schönfeld den Almricher Berg, die Freyburger Straße, den Linden- und den Postring. Hinweise aus dem Publikum, wonach auch Weißenfelser und Jägerstraße Berücksichtigung finden müssten, wolle man prüfen.
Gegenstimmen blieben nicht aus und gab es reichlich. Die meisten Lkw, so sagte ein Teilnehmer, kämen von außerhalb. Sie könne man nur durch eine Ortsumfahrung verbannen. Dadurch würde auch die Sicherheit erhöht. Man dürfe nicht vergessen, dass sich allein an der Bundesstraße 87 vier Schulen befänden. Linkspolitiker Jan Wagner bemerkte, dass jedes dritte Fahrzeug in der Weißenfelser Straße ein Lkw sei. Und SPD-Landtagsabgeordnete Krimhild Niestädt meinte, Beschränkungen im innerstädtischen Verkehr gebe es bereits, wirkliche Entspannung bringe nur eine Umgehung. Und diese werde kommen. Jeder Schwerlaster weniger sei für Naumburg und Bad Kösen ein Gewinn.
Grünen-Politiker Frank Albrecht hielt dem entgegen, dass selbst der Planungsträger, die Landesstraßenbaubehörde, nicht mehr an eine ausreichende Entlastung glaube. Das habe sie bei einem Anhörungstermin deutlich gemacht. Zur Bekräftigung dessen hieß es seitens des Planungsbüros, dass die Weißenfelser Umfahrung der Beleg für Falschplanungen sei, denn das Gros des Verkehrs führe weiter durch die Innenstadt.
Schnellweg für Radfahrer
Zur Entlastung in Naumburg und Bad Kösen könnten auch neue und besser ausgebaute Radwege beitragen. Würde ein entsprechendes Angebot vorgehalten, seien auch mehr Bürger bereit, Distanzen mit dem Rad zurückzulegen, sagte Tobias Schönfeld. Dabei brachte er einen Radschnellweg zwischen Naumburg und Bad Kösen auf vorhandenen Wegen in Spiel (neue Straße ab Klärwerk Bad Kösen bis Schulpforte und Almrich, weiter entlang des Bahndammes bis zur Freyburger Straße in Naumburg). "Bis auf wenige Umbauten ist ein solcher Schnellweg unkompliziert und kostengünstig eingerichtet", meinte er. In Dänemark und den Niederlande gäbe es längst solche Trassen, im Ruhrgebiet sei eine in der Diskussion. Und: "Das Rad gewinnt bei steigenden Kraftstoffpreisen immer mehr an Bedeutung. Im Zeitalter des Elektroantriebs sind damit auch größere Entfernungen unproblematisch."
Modell für weitere Städte
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion und Moderator der Veranstaltung, Christoph Erdmenger, sagte, dass das Konzept des Planungsbüros am Anfang stehe und Anregungen aus der Runde eingearbeitet würden. Am Ende solle es als Modell für weitere mittelgroße Städte in Sachsen-Anhalt dienen und in einer neuerlichen Veranstaltung vorgestellt werden.
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STIMMEN
ÖPNV stärken
Auf seiner Facebookseite hat Landtagsabgeordneter Jan Wagner (Die Linke) seinen Standpunkt geschildert und damit zu einer Diskussion angeregt. Wagner schreibt zu den Vorschlägen zum Thema Tempo 30: "Die vorgestellten Bereiche sind im kommunalpolitischen Raum ein Dauerbrenner und nicht neu. Zudem sollen sie mit Ausnahme Almrich nicht dort entstehen, wo die starke Verkehrsbelastung stattfindet. Ich halte die Vorschläge für gut und wichtig, aber eben nicht neu und nicht verkehrsentlastend." Zudem freue er sich, dass der Radverkehr in den öffentlichen Fokus gerückt wurde. Trotzdem stehe er weiter hinter der Umgehung B 87n.
Gunter Walther aus Lobitzsch schreibt in seinem Kommentar: "Bei gut gestalteten Verkehrsflüssen und der optimalen Nutzung der vorhandenen Ressourcen, bis hin zu E-Rädern, muss es keinen weiteren Eingriff in die wertvolle Landschaft geben. Auch wurde dargelegt, dass es sich die Kommunen und die Gesellschaft eigentlich nicht mehr leisten kann und sollte, solche Umgehungsstraßen als neue zusätzliche Infrastruktur aufzubauen. Wer gut zugehört hat, konnte auch hören, dass es ein Gewinn sein kann, mit dem Fahrrad zu fahren, statt 500 bis 2 000 Meter mit dem Auto zu absolvieren."
Facebook-Nutzer Ka Scha meint dagegen, dass ein "stimmiges ÖPNV-Paket" ebenfalls für Entlastung sorgt. Er schreibt dazu: "Dort Geld reinzustecken, wäre wesentlich sinnvoller. Allein die Einbindung der Straßenbahn in den MDV würde schon Vorteile bringen. Dazu warten noch Busse auf Reisende bei Zugverspätungen."CM
»Naumburger Tageblatt«, 15.2.2013, S. 7
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